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Juni 2022

DS Kaiser Wilhelm (ab 1919 DS Baden)
Im Juli 1870, wenige Wochen vor Ausbruch des deutsch-französischen Krieges, erteilten die badischen Staatseisenbahnen bei Escher Wyss in Zürich den Auftrag zum Bau eines Salondampfers, dessen Komfort mindestens den neuen Schiffen auf dem Mittelrhein entsprechen sollte.

Foto: DS Kaiser Wilhelm anlässlich des Besuches des greisen Kaisers Wilhelm I. in Lindau vom 18. Juli 1886. Im Hintergrund die Dampfer Bavaria (I) und Ludwig (II).

Die Länge beträgt auf 52 Meter in der Konstruktions-Wasserlinie und über Deck auf 53,85 Meter. Der Transport der vorgefertigten Einzelteile erfolgte auf dem Schienenweg über Schaffhausen und Singen nach Konstanz. Der Stapellauf erfolgte am 4. August 1871. Am 3. September 1871 wurde der erste Salondampfer auf dem Bodensee unter Anwesenheit von Kaiser Wilhelm I und dessen Schwiegersohn, Grossherzog Friedrich I von Baden, feierlich auf den Namen Kaiser Wilhelm eingeweiht. Taufpatin war die Kaisertochter und damalige Grossherzogin Luise von Baden.

Foto: 1889 entstand diese Aufnahme bei der Einfahrt in den Konstanzer Hafen. Der Ruderstand wird durch ein halboffenes Steuerhaus geschützt.

Angetrieben wurde die «Kaiser Wilhelm» durch eine Zweizylinder-Zweifach Expansionsmaschine Woolf’scher Bauart mit einer Leistung von 375 PSi. Bei 38 Umdrehungen pro Minute wurde eine Höchstgeschwindigkeit von 24 km/h erreicht. Aus den noch existierenden Betriebsbüchern geht hervor, dass das Schiff bei niedrigen Pegelständen unterhalb der Drei-Meter-Marke nicht mehr auf allen Kursen eingesetzt werden konnte.

Foto: Das DS Kaiser Wilhelm trifft um das Jahr 1910 in Konstanz ein.

Im Rahmen einer umfangreichen Maschinen- und Kesselrevision, die sich vom November 1880 bis zum Mai 1881 hinzog, wurde auch das bis dahin nur vom Salonaufbau bis über die hinteren Radkastenhälften reichende Promenadendeck über den gesamten Mittschiffsbereich bis zum Niedergang zur Bugkajüte verlängert. Ab 1887 wurde der Ruderstand durch ein vorerst noch halboffenes Steuerhaus geschützt.

Foto: Der Raddampfer Kaiser Wilhelm verlässt Konstanz (Ansichtskarte abgestempelt am 19. Juli 1906)

Mit dem eher zurückhaltenden Einsatz der «Kaiser Wilhelm» in der Zeit von 1871 bis etwa 1894, wo das Schiff durchschnittlich nur an 150 Betriebstagen im Jahr verkehrte, war es um die Jahrhundertwende endgültig vorbei. Im Jahre 1902 wurden erstmals 317 Betriebstage und 54’127 Kilometer erreicht. Die Hauptursache für die verhältnismässig sparsame Verwendung in den früheren Jahren war keineswegs das Statussymbol als Flaggschiff der badischen Flotte, sondern sein horrender Kohlenverbrauch zwischen 28 und 31,2 kg pro Fahrkilometer!

Foto: Kaiserbesuch auf der Mainau im September 1912. Lastschiffe aus Kesswil und Wallhausen umringen den Salondampfer mit dem Monarchen an Bord.

Im Jahre 1908/09 erfolgte ein Grossumbau der Maschinenanlage durch Gebrüder Sulzer. Neben einer neuen Kesselgruppe mit Überhitzern Patent Schmidt, wurden Hoch- und Niederdruckzylinder komplett ersetzt. Der Hochdruckzylinder erhielt dabei eine Ventilsteuerung. Zur Erhöhung des Wirkungsgrades wurden die bisherigen Holzschaufeln durch gekrümmte Eisenschaufeln ersetzt. Das bisherige kleine Rettungsboot am Heck wurde durch zwei grössere Gondeln auf den Radkästen ersetzt.

Foto: Die Zeit nach dem Maschinenumbau dokumentiert diese, um 1912 entstandene Aufnahme am Überlinger Landeplatz.

Bis in den Ersten Weltkrieg hinein, blieb die «Kaiser Wilhelm» das Staats- und Repräsentationsschiff der badischen Flotte. Alljährlich im Juni benutzte der Namenspatron, Kaiser Wilhelm I., diesen Dampfer für seine einwöchigen Besuche beim Grossherzogspaar auf der Insel Mainau. Anschliessend trat der alternde Monarch einen sechswöchigen Kuraufenthalt im österreichischen Bad Gastein an. Stets fuhr er mit der „Kaiser Wilhelm“ bis nach Lindau, um von dort mit einem Salonwagen der Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen weiterzureisen.

Foto: 1926 steigen die zahlreichen Passagiere in den, nun «Baden» genannte, Raddampfer ein (Aufnahme vom Jahr 1926).

Am 18. Juli 1919 wurde schliesslich aus dem langjährigen Flaggschiff der Konstanzer Bodenseeflotte die erste «Baden». Vom einstigen Glanz und Gloria der Kaiserzeit zeugten noch die beiden Reichsadler an den Radkastentambouren. Diese wurden erst 1928 durch die badischen Greifenwappen der frühzeitig stillgelegten «Stadt Überlingen» (I) ersetzt. Die jährlichen Fahrleistungen von 20’000 bis 30’000 Kilometer gingen erst gegen Ende der 1920er Jahre, als die ersten Motorschiffe aufkreuzten, spürbar zurück.

Foto: Die «Baden» trifft in Meersburg ein.

Trotzdem wurden im letzten Betriebsjahr 1930 noch einmal 15’884 Kilometer erreicht.
Mit zwei Doppelkurspaaren von Konstanz nach Überlingen verabschiedete sich der alte Salondampfer am 30. September 1930 vom Bodensee. Nach Abbruch der hölzernen Aufbauten und dem Ausbau der Maschinenanlage wurde der ausgeweidete Schiffsrumpf der einstigen «Kaiser Wilhelm» im Februar 1931 vom Motorschiff Mettnau seeaufwärts geschleppt und im «Tiefen Schweb», dem 200-Meter-Graben des Bodensees versenkt.

Foto: DS Baden im Stilllager ebenfalls in Meersburg.

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