Von der Ostsee bis zur Save

Herbert Winkler
1936 konnte die jugoslawische Donauschifffahrt von der Ekensberg-Werft in Stockholm die beiden für die Wolga und das Kaspische Meer gebauten Dampfer Iran (Radschiff) und Indus erwerben. Durch die russische Revolution von 1917 und den Sieg der Bolschewiken konnten die Schiffe nicht mehr abgeliefert werden. Beim Dampfer Iran waren Radkasten und Schaufelräder am Achterdeck verstaut, der kleinere Schraubendampfer Indus schleppte die «Iran». Der Schleppzug hatte eine Länge von 180 Meter.

Von Stockholm über den Nordostsee-Kanal zur Nordsee

Am Abend des 10. Juni 1936 verliess der Verband bei schönem Wetter die schwedische Hauptstadt Stockholm in Richtung Kopenhagen. Bald aber kam Nebel und Schlechtwetter auf. Die Besatzung war froh, dass sie am 13. Juni wohlbehalten in Kopenhagen angekommen ist. Hier wurde das Schiff betankt und die Vorräte ergänzt. Am 14. Juni war Kiel erreicht. Tags darauf, am 15. Juni um 6 Uhr, begann, mit einen Lotsen an Bord, die Fahrt durch den Nordostsee-Kanal. Bereits um 16 Uhr war Brunsbüttel und die Elbe erreicht. Wegen Schlechtwetter blieben die Schiffe bis zum 17. Juni auf der Elbe liegen. Am 18. Juni abends wurde die Nordsee erreicht. Vorbei an Dover ging es südwärts zum Ärmelkanal, der am 19. Juni erreicht wurde. Wegen schlechtem Wetter wurde der kleine Hafen auf der Insel Portland angelaufen. Am nächsten Nachmittag wurde die Fahrt in Richtung französische Küste aufgenommen.

 

Sturm

In der Nacht des 21. Juni wurde das Meer wieder sehr stürmisch, die Schiffe rollten und stampften bei starkem Seegang. Vorbei am Leuchtturm der Insel Quessant wurde die bretonische Küste angesteuert. Am 22. Juni um 3 Uhr morgens wurde beim Leuchtturm von Millier (südlich von Brest) geankert; wegen des immer schlechter werdenden Wetters wurden die Schiffe in die dahinter liegende Bucht verlegt. Fast zwei Wochen tobte der Orkan, die Liegezeit wurde für Ausbesserungen und Reparaturen benützt. Erst am 5. Juli war der Wetterbericht günstig und die Fahrt nach dem spanischen Hafen La Coruna wurde aufgenommen. Am 7. Juli wütete erneut ein Sturm.

 

Ruhige See

Am 8. Juli ging die Fahrt entlang der unbewohnten Sisagara-Inseln an der Costa del Muerte, bevor am 10. Juli La Coruna erreicht wurde. La Coruna wurde am 11. Juli verlassen. Die Fahrt entlang der spanischen und portugiesischen Küste verlief problemlos. Am 14. Juli abends passierten die Schiffe Gibraltar. Am nächsten Tag, am 15. Juli um 14 Uhr, war der Hafen von Almeria erreicht, wo die Schiffe Anweisungen aus Belgrad erhalten sollten.

 

Spanischer Bürgerkrieg

Am 17. Juli 1936 begann der Spanische Bürgerkrieg. Trotz schlechtem Wetter verliessen die Schiffe am frühen Morgen des 18. Juli den Hafen von Almeria. Auf der Fahrt Richtung Cap Gata, östlich von Almeria, wurden die Schiffe von einem spanischen U-Boot angehalten und durchsucht.

Am 20. Juli war der nordafrikanische Hafen von Algier erreicht. Weiter ging es ostwärts,  entlang der nordafrikanischen Küste und durch die Strasse von Malta, an der Südspitze von Sizilien vorbei, dann nördlich nach Kap Spartivento in Kalabrien, wo ein Halt eingelegt wurde.

 

Griechenland

Am 26. Juli war, nach der Fahrt durch die Ionische See, der Hafen von Patras erreicht. Am 28. Juli morgens begann die Fahrt durch den Golf von Korinth und durch den Kanal von Korinth. Das Ägäische Meer begrüsste den Schiffsverband mit stürmischen Wetter, deshalb wurde die Bucht von Rarysto auf der Insel Euboa angelaufen.

 

Endlich auf der Donau

Am 31. Juli abends wurde die Fahrt Richtung Dardanellen aufgenommen. Vorbei an Istanbul und nach Durchfahrt der Dardanellen war das Schwarze Meer erreicht. Weiter ging die Fahrt zur Donaumündung nach Sulina, wo Mitglieder der Donaukommission an Bord kamen. Ab 7. August begann die Fahrt auf der Donau Richtung Belgrad, dabei wurden Braila, Giurgiu, Turnu-Severin und Tekija passiert.

Am 24. August 1936, um 14 Uhr, war nach 75 Tagen und 6’500 Seemeilen (12’038 Kilometer) Belgrad erreicht. Anschliessend wurden in der dortigen Werft die Schaufelräder und Aufbauten montiert und der Raddampfer Iran in «Yugoslavia» umbenannt.

 

«Kraft», das kraftlose Schiff

Am 8. August 1941 übernahm die DDSG den Turbinenraddampfer Yugoslavia und benannte ihn in «Kraft» um. Die DDSG plante einen Umbau auf einen Dieselantrieb. Bis Februar 1943 wurden jedoch keine Motoren zugeteilt, denn die deutsche Wehrmacht benötigte das Dieselöl für militärische Zwecke. Das Schiff war im Donaukanal neben der DDSG-Direktion verankert und diente als Büro und Wohnschiff. Die «Kraft» wurde 1944 bei einem Luftangriff schwer beschädigt. Wegen den gesprengten Donaukanalbrücken war der Abtransport des 21 Meter breiten Schiffes nicht möglich.

 

Reparatur und Beschlagnahmung

Im Herbst 1945 kamen russische Arbeiter an Bord und zerlegten das Schiff bis auf den Rumpf. Der Rumpf allein war 9,2 Meter breit und konnte nach Korneuburg geschleppt werden. In Korneuburg konnte das Schiff repariert werden und wurde anschliessend in die damalige Sowjetunion verbracht. Das weitere Schicksal ist nicht bekannt.

 

Technische Daten Dampfschiff Yugoslavia
Erbauer Ekensberg Werft, Stockholm
Länge und Breite über alles 71.76/20.60 Meter
Tiefgang 1.3 bis 1.55 Meter
Seitenhöhe 3.4 Meter
Antrieb Fingspang-Ljungström Dampfturbine
Leistung 1850 PS