Im Jahr 2011 vereinbarte der Verfasser mit den Redakteuren der Dampferzeitung, Kurt Hunziker, Othmar Egli und Robert Knöpfel, zum Jubiläum «175 Jahre Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee» die Darstellung der Geschichte dieser Jahre für die Dampferzeitung. Sie gaben ihm den berechtigten Hinweis, das Werk müsse hohen Ansprüchen genügen, da es am Vierwaldstättersee viele sehr genaue Kenner der Schifffahrt gebe.
Vorvorgeschichte
Da war es eine Beruhigung, dass sich Josef Gwerder für den Autor mit den Worten aussprach: «Es ist gut, wenn einmal jemand ganz neu und unvoreingenommen dieses Thema angeht.» Seine Unterstützung war jedenfalls eine grosse Beruhigung und es war wertvoll, dass er in der Folgezeit vieles von seinem Wissen zur Verfügung stellte. Zu den Dampfschiffen hatte er schon vorher die Interessierten in vielen Bordbüchern informiert. Der Autor merkte bald, dass es Josef Gwerder eine besondere Freude war, zu den Motorschiffen befragt zu werden, an deren Entstehung er mitgewirkt hatte und von denen er meinte, sie hätten wegen der Querelen um die Ausrangierung der Dampfer nie die Würdigung erfahren, die sie verdient hätten.
In der Tat wird so mancher Sammler von älteren Postkarten festgestellt haben, wieviel reichhaltiger sich das Angebot von Motorschiffen des Thuner- und Brienzersees verglichen mit dem Vierwaldstättersee darstellt. So ergab sich ein regelmässiger Mailaustausch und auch mündlicher Kontakt mit Josef Gwerder, gerade auch im Hinblick auf die Motorschiffe. Das Material wuchs auf einen Umfang an, der den in der Dampferzeitung zur Verfügung stehenden Platz deutlich überschritt. Der Autor hatte dann 2022 nochmals bei der Mitwirkung am Buch «Die Geschichte der Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee» von Meister/Gwerder Gelegenheit, das Thema aufzugreifen. Jedoch musste auch dort auf den nicht unerschöpflichen Platz Rücksicht genommen werden.
Am 27. Mai 2024 verstarb Josef Gwerder im Alter von 92 Jahren in Meggen. Da reifte der Plan, nochmals gesondert über die von Josef Gwerder mitgestalteten Motorschiffe zu berichten und die aus dem Dialog gewonnenen Gedanken einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Vorgeschichte
In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre schienen die schlechten Jahre der Schifffahrt nach dem Ersten Weltkrieg überwunden. Anstatt die «Stadt Luzern» (II) zu renovieren nahm die DGV ein günstiges Angebot der Werft Sachsenberg (Rosslau an der Elbe) für einen neuen grossen Dampfer an. Da sie in den Krisenjahren nach dem Krieg externe Finanzhilfe angenommen hatte, kam Kritik auf, dass nicht einheimische Firmen zum Zuge gekommen waren.
Weil die Maschine des Neubaus unbrauchbar war, lieferte der Auftragnehmer kostenlos eine kleine Schiffsschale als Konventionalstrafe. Auf ihr baute das Werftpersonal selbst das Motorschiff Rütli auf.
Die dabei gewonnenen Erfahrungen ermöglichten es in der Zeit der beginnenden Weltwirtschaftskrise, den Bau eines weiteren Motorschiffes, MS Mythen, in der eigenen Werfthalle zu unternehmen, sodass nun die Arbeit einheimischen Kräften zugutekommen konnte. Die erworbenen Fähigkeiten im Aluminiumbau brachten der DGV 1931 mit der Erstellung der beiden neuen Gondeln für die Luftseilbahn Gerschnialp–Trübsee ob Engelberg noch einen Fremdauftrag ein.
In der Weltwirtschaftskrise standen danach für Schiffsbauten keine Mittel mehr zur Verfügung und der eigene Schiffsbau schlief ein. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre wurde erwogen, dringend benötigte neue Motorschiffe wieder durch Fremdfirmen erbauen zu lassen. Jedoch reichten die finanziellen Mittel nicht aus.
Deshalb fasste Direktor Alexander Perrig den Entschluss, die nötigen neuen Schiffe durch Umbau von alten Dampfern zu gewinnen. Der Zweite Weltkrieg verhinderte zunächst die Ausführung, aber 1949 war aus dem ehemaligen Dampfer Rhein in der eigenen Werft ein neues MS Waldstätter entstanden. Danach sollte DS Rigi zu einem Motorschiff umgebaut werden. Inzwischen hatte die Konjunktur der Nachkriegszeit aber genügend Mittel in die Kasse gespült, so dass mit MS Titlis einem Neubau der Vorzug gegeben werden konnte, der ebenfalls auf der eigenen Werft entstand.
Zunächst war als dann folgender Neubau (MS Rigi) ein Schiff mit gleicher Schale wie MS Titlis, aber mit vergrösserten Aussenflächen in der eigenen Werft geplant. Es erschien schliesslich aus nautischen Gründen geraten, doch eine grössere Schalenform zu wählen. Beim Eigenbau blieb es aber.
MS Schwyz – ein grosser Neubau
Noch während des Baus dieses Schiffes stand fest, dass danach ein Motorschiff grosser Dimension mit gleichzeitiger Ausserdienststellung von DS Schwyz benötigt wurde. Es galt zu entscheiden, ob die eigene Werft in der Lage sein würde, ein Schiff in dieser Grössenordnung vollständig selbst zu erstellen oder es nach auswärts zu vergeben sei.
Ein Neubau in einer solcher Dimension schien zunächst die vorhandenen Kapazitäten der DGV-Werft zu sprengen. Zudem zeigte ein Blick auf MS Linth auf dem Zürichsee (1952) und MS Jungfrau auf dem Thunersee (1954), was für hervorragende Schiffe etwa die Bodan-Werft in Kressbronn bauen konnte. So erwog Direktor Perrig zunächst, zumindest die Schalenzeichnungen wegen derer grossen Erfahrung dort anfertigen zu lassen. Es war Ingenieur Soland, der sich in der Verwaltungsratssitzung am 11. Dezember 1953 entschieden dafür stark machte, dass die DGV-Werft diese Arbeiten selbst erledigen könne. Immer stärker zeichnete sich auch die Tendenz ab, das neue Schiff ganz in der eigenen Werft zu erstellen. Finanziell erschien es risikoärmer, das Schiff über einen längeren Zeitraum unter Verwendung der eigenen Erträge zu erstellen, statt zu sehr auf Kredite mit Zinskosten zu setzen, deren Abzahlung bei mangelhaften Betriebsüberschüssen nicht sichergestellt war. Zugleich bestand bei einem Eigenbau die Möglichkeit, saisonale Schwankungen beim Personal des Schiffsbetriebes auszugleichen und qualifiziertes Personal an sich zu binden. Der wichtigste Hinderungsgrund für den Eigenbau wurde im Mangel an einer genügenden Anzahl geeigneter Fachkräfte gesehen. Schliesslich fiel dennoch die Entscheidung im Sinne des Eigenbaus, zur Gewinnung der nötigen Fachkräfte habe man noch ausreichend Zeit.
Konstrukteur gesucht
Damit zeichnete sich ab, dass für den Schiffsbau die DGV zusätzliches Personal zur Erstellung der Konstruktionspläne gewinnen musste.
Zu den Personen, die sich auf die freie Stelle in der Konstruktionsabteilung bewarben, gehörte der damals 23-jährige Josef Gwerder, welcher nach seiner Lehre als Maschinenzeichner bei den von Moos’schen Eisenwerken in Emmenbrücke gerade eine Zusatzausbildung als Maschinenkonstrukteur absolvierte. Er hatte zwar ein grosses Interesse am Schiffsbau, machte sich aber keine grosse Hoffnung auf die Stelle, weil er sich dafür noch für zu jung hielt.
Als es um die engere Auswahl ging, lud Direktor Alexander Perrig die verbliebenen Kandidaten, unter ihnen Josef Gwerder, und stellte ihnen die Aufgabe, eine Musterzeichnung zu fertigen. Nach Begutachtung der Ergebnisse sagte er zu Josef Gwerder: «Sie sind der jüngste Kandidat, Sie haben aber auch die beste Zeichnung eingereicht. Wenn Sie bereit sind, in einer ganz speziellen Branche zu arbeiten und gewillt sind, jeden Tag noch etwas zu lernen, dann gebe ich Ihnen die Stelle.» So geschah es 1955.
Schiffsgrösse
Zunächst galt es, die optimale Grösse des neuen Schiffes zu bestimmen. Direktor Perrig stellte dazu minutiöse Betrachtungen an. Er nahm die Fahrpläne und Kurszuteilungen der zurückliegenden Monate zur Hand und bestimmte bei verschiedenen unterstellten Fassungsvermögen die sich durch das neue Schiff verändernden Schiffseinsätze samt deren finanziellen Auswirkungen. Ein zu kleines Schiff wäre zu oft an Belastungsgrenzen gestossen, ein zu grosses zu oft nicht genügend besetzt unterwegs gewesen. Der optimale Wert ergab ein Schiff von der Grösse von nicht unterhalb von 800 Personen Tragkraft. Im Zuge des zunehmenden Fremdenverkehrs entstand schliesslich ein Schiff für 1’000 Personen.
Schalenform
Wie Josef Gwerder berichtete, hätte sich bei den Versuchen mit einem Modell 1:11 in der Hamburger Schiffs-Versuchsanstalt gezeigt, dass schnell eine hervorragende Schalenform gefunden worden war. Sie war so ausgereift, dass sie für die drei späteren Schiffe gleicher Grösse nicht mehr verändert werden musste.
Unter dem Heck wurden in zwei Aufwölbungen in der Schale die Propellerschrauben platziert, was eine höhere Lage der Schraube und damit einen grösseren Durchmesser der Schraube erlaubte, ohne die Kiellinie zu unterschreiten. Das Heck selbst wurde kugelförmig ausgestaltet, was zwar in der Herstellung teurer ist, sich aber aufgrund günstigerer Hydrodynamik durch geringeren Treibstoffverbrauch langfristig rechnet.
Motoren
Die Wahl fiel auf Sulzer-Motoren. Dabei wurde ein kostensparendes Zweitaktsystem gewählt. Da bei ihm die Motorendrehzahl mit der Propellerdrehzahl genau zusammenfällt, konnte ein Übersetzungsgetriebe entbehrt und Kosten eingespart werden. Infolge seiner Einfachheit benötigten die Motoren deutlich weniger Zeitaufwand bei der Wartung. Werftchef Dittus vom Zürichsee erklärte zudem der DGV, dort sei man mit dem Zweitaktmotor sehr zufrieden, es sei noch nicht die geringste Störung aufgetreten.
Antrieb
Das Schiff wurde mit zwei Zeise Festpropellern mit einem Durchmesser von je 1‘450 mm ausgerüstet. Auf Verstellpropeller wurde verzichtet. Solche erlauben grundsätzlich eine stärker dosierte und damit feinere Steuerung. Daher muss bei Festpropellern mehr mit dem Ruder gearbeitet werden. Aus diesem Grund verfügte MS Schwyz von Anfang an über eine hydraulische Ruderanlage, die die Steuerung erleichterte.
Raumaufteilung
Im nächsten Schritt war die Innenraumaufteilung zu bestimmen. Der Neubau sollte ein kombiniertes Personen- und Güterschiff mit zwei Klassen ergeben. Der Gütertransport stellte damals noch eine nicht zu unterschätzende Aufgabe der Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee dar. Um auch den Bug mit Gütern belegen zu können, hatte das Schiff am Bug auf jeder Seite noch ein Einladungstor.
In den 1960er Jahren verliess im Sommer werktags gegen 05.20 Uhr ein Schiffskurs Luzern Richtung Brunnen. Ab Luzern war um diese Zeit meist nur eine Hand voll Fahrgäste an Bord. Umso mehr war das Schiff mit Gütern belegt. Je weiter es den See hinaufkam, desto mehr Güter wurden entladen und desto mehr Fahrgäste stiegen zu.
Auf dem Hauptdeck waren daher neben einem Buffet (vorne) und einem Aufenthaltsraum (hinten), beide für die zweite Klasse, genügend Abstellplätze für Güter und Postkarren vorzusehen.
Eine Projektvariante sah vor, Kasse und Postzimmer radkastenähnlich unter Verzicht auf durchgehende Aussengalerien ganz nach aussen zu versetzen, um genügend Abstellfläche für Güter in der Mitte zu gewinnen. Dieses Projekt wurde als erstes verworfen, und eine Lösung mit zentral innenliegenden Diensträumen mit WC und Office und angelehnt daran den Aufstiegen zum Oberdeck erhielt den Vorzug.
Wo aber sollten diese errichtet werden? Diese Frage hatte schon zur Dampfschiffzeit beschäftigt. Sulzer (und auch Sachsenberg bei der «Stadt Luzern») führte die Fahrgäste von den Zustiegen vor den Radkästen (am Vierwaldstättersee wird zuallermeist vorne angelegt) entsprechend der naheliegenden Laufwege am Maschinenschacht vorbei und dann nach hinten aufsteigend zum Oberdeck. Bei Escher-Wyss («Unterwalden» und «Gallia») führten die Laufwege durch den Einstiegsraum bis hinter die Radkästen und dort nach einer Kehre nach vorne ansteigend zum Oberdeck. Für die Fahrgäste zum Oberdeck hatte das zunächst den Nachteil weiterer Wege und einer Kehrtwende, aber den Vorteil, dass die Fahrgäste der 1. Klasse aus dem hinteren Salon sogleich ohne Kontakt zur 2. Klasse auf das Oberdeck, damals auch Promenadendeck genannt, gelangen konnten. Zudem ermöglichte der hintere Einstieg eine repräsentative Treppe direkt aus dem Salon heraus, die nicht durch Rauchabzüge in der Mitte zweigeteilt werden musste.
Diese beiden verschiedenen Laufwege stellten auch beim zu bauenden Schiff die Alternativen dar. Für die Lösung des direkten Aufstieges aus dem Einstiegsbereich (Lösung Sulzer) sprach auch, dass wegen veränderter Lage der Abgasleitung eine zweigeteilte Treppe nicht mehr nötig gewesen wäre. Dennoch fiel die Entscheidung für die Lösung Escher Wyss. Grund dafür war, dass man den zentralen hinteren Bereich des Einstiegsraumes vor allem für Güter nutzen wollte und sich die Nutzer des Oberdecks an ihnen zu sehr hätten vorbeizwängen müssen.
Für das Oberdeck waren beim Neubau von MS Schwyz zwei Räume vorgesehen: vorne das Restaurant und dahinter ein abgetrennter Salon. Die äusseren Oberdeckgalerien wurden oben im hinteren Teil so ausgeführt, dass seitlich Sitzplätze vorhanden waren, durch einen Sprung im vorderen Teil auf Höhe des Restaurants verengten sie sich zu einem blossen Durchgang.
Die Salons wurden mit zeittypischen Kalt-Kathodenröhren beleuchtet.
«Höhle» oder «Präsentierteller»
Eine Frage an Josef Gwerder durfte nicht fehlen: Wieso ist bei den Motorschiffen des Vierwaldstättersees auf breite Panoramafenster verzichtet worden, wie sie etwa von der Bodan-Werft (MS Helvetia auf dem Zürichsee) oder später auch von der Schiffswerft Linz (MS Blümlisalp auf dem Thunersee) verbaut wurden? Die Antwort lautete, anfangs wäre der Einbau solcher Fenster wegen der Verwendung von Aluminium, das solche Spannweiten schwer ertrug, kaum möglich gewesen. Als später der technische Fortschritt dies erlaubt hätte, sei tatsächlich über den Wechsel zu breiten Fenstern nachgedacht worden. Die Lösung sei aber verworfen worden, weil die Meinung überwog, der Fahrgast sitze in den Innenräumen lieber geborgen als auf dem «Präsentierteller». So spiegelt sich in den Fensterformen der modernen Motorschiffe eine grundsätzliche Architekturfrage des 20. Jahrhunderts: Was bevorzugt der Mensch? Einen offenen Glaskasten (dafür steht das berühmte Farnsworth-Haus des Architekten Mies van der Rohe bei Chicago) oder eine «Höhle» (dafür steht Frank Lloyd Wrights genauso berühmtes Prairie-House, ebenso bei Chicago)?
Es mag sein, dass die Treue zur einmal gefundenen Fensterform auch mit dem seit 1960 amtierenden Werftchef Emil Herzog zusammenhing. Er war von der SBB-Bodensee-Schifffahrt zur SGV gekommen. Damit kam er von dem Unternehmen, an dessen Fensterform die auf dem Vierwaldstättersee verwendete erinnert – nämlich an die der Einheitswagen I der SBB.
Neue Bauweise
Im Januar 1956 fand die Kiellegung des neuen Schiffes statt. Perrigs Satz, Josef Gwerder müsse zu Neuem bereit sein, erfüllte sich schnell. Bei den bis dahin gebauten Schiffen wurde das Oberdeck erstellt, indem zwei Längsbalken über dieses gezogen und seitlich verstrebt wurden. Darüber wurden die Deckbalken montiert. Zusammen mit der Alusuisse wurde nun für das MS Schwyz eine reine Querbauweise in Fachwerkkonstruktion gewählt, bei der die Gewichtskraft alleine auf die Seitenwände abgeleitet wurde. Diese Konstruktionsweise erlaubte eine Vorfabrikation der Teile, die nun angeliefert wurden. Allerdings waren diese Querträger noch in traditioneller Weise genietet.
Der Stapellauf fiel auf den 25. Juni, die Jungfernfahrt auf den 18. Juli 1959.
MS Winkelried
Grundsätzlich sollte das nachfolgende Schiff, MS Winkelried, nach den gleichen Massstäben erbaut werden. Verschiedene Umstände bewirkten jedoch Änderungen. Zunächst war da der Neubau der beiden Brücken am Acheregg, die die Gotthardautobahn und u. a. die neue durchgehende Bahnlinie von Luzern nach Engelberg aufnehmen sollten. Die Durchfahrtshöhe unter der Brücke sollte für die Schiffe nur noch 7,50 Meter betragen. Das erforderte entsprechende Anpassungen gegenüber dem MS Schwyz.
Es standen dafür mehrere Varianten zur Auswahl: Eine Lösung mit einem Steuerhaus auf dem Oberdeck, das zur Durchfahrt am Acheregg in den Restaurationsraum des Oberdecks absenkbar gewesen wäre, fand keine Zustimmung, ebenso wenig eine mit umklappbaren seitlichen Steuerhaus-Partien. Gewählt wurde die Variante auf dem Oberdeck mit einer Steuerhausoberkante von 7,00 Meter über Wasserspiegel vor dem Restaurant 1. Klasse. Die Auspuffleitung wurde in den umlegbaren Masten über dem Oberdeck gelegt. Im Vergleich zu MS Schwyz wurden die seitlichen Galerien des Oberdecks so breit gestaltet, dass auf der ganzen Länge seitlich Sitzmöglichkeiten entstanden, was dafür den Innenraum verschmälerte. Zusammen mit dem Steuerhaus davor gab es hier keine Möglichkeit des Lichteinfalls von vorne mehr. Die Aufteilung des Oberdecks in einen Salon hinten und ein Restaurant vorne musste daher aufgegeben werden, um durch Wegfall der Trennwand einen einzigen grossen Raum zu schaffen und so von hinten mehr Helligkeit in den vorderen Bereichen zu erzeugen.
Neue Fertigungsmethoden
Bedeutsam ist zudem, dass sich die beiden Schiffe bei vielerlei Ähnlichkeiten in der Herstellungsweise deutlich unterscheiden. Das Wort von Alexander Perrig an Josef Gwerder zur Bereitschaft dazu zu lernen, sollte sich hier wieder erfüllen. Bei MS Schwyz waren die Querträger über dem Haupt- und dem Oberdeck noch in Fachwerkkonstruktion zusammengenietet worden. Nun hatte die Schweizerische Aluminium AG eine Aluminium-Zink-Magnesium Legierung mit vorzüglichen Festigkeitseigenschaften und guter Schweissbarkeit entwickelt. Die geschweissten Pressprofile ermöglichten gegenüber der genieteten Gitterkonstruktion eine Gewichtseinsparung von 17%.
Die Knotenbleche zur Verbindung des Deckträgers mit den Aufbaustützen wurden zwar noch genietet, jedoch nicht mehr mittels Einschlagens des Kopfes, sondern durch Halbblindnieten mit viel geringerer Bohrung und durch eine Druckluft-Zugpistole.
Zugleich mit der Gewichtsreduktion konnte bei der neuen Konstruktionsweise auch der Aufbau vereinfacht und die dafür zu verwendende Zeit deutlich verkürzt werden. In der neuen Fertigungsmethode wurde damals ein fast so grosser Fortschritt gesehen wie das Ersetzen des allgemeinen Nietens durch das Schweissen etwa dreissig Jahre zuvor.
Motoren
Auch bei den verwendeten Motoren kam es zu Änderungen. Im Unterschied zu MS Schwyz wurden zwei Saurer-Viertakt-Schnellläufermotoren mit 1500 U/min eingebaut mit einem Gewicht von nur noch je etwas mehr als 3 Tonnen, während die Motoren von MS Schwyz etwa das Vierfache wogen. Zwei Wende- und Untersetzungsgetriebe reduzieren die Motorendrehzahl im Verhältnis 3,75:1 auf die Antriebswelle.
Die geschilderten deutlichen Gewichtseinsparungen erlaubten es, das neue Schiff bei gleicher Schalenform statt wie bei MS Schwyz für 1‘000 nun für 1‘200 Personen freizugeben.
Die Arbeiten an MS Winkelried kamen aber nicht ganz so schnell voran wie gewünscht, mussten doch die Anpassungsarbeiten an den anderen Schiffen für die Acheregg-Unterführung vordinglich erledigt werden. Die Kiellegung fand gleich nach dem Jahreswechsel 1960 statt und der Stapellauf am 6. August 1963 – ursprünglich hatte die Hoffnung bestanden dank effizienterer Fertigungsmethoden das Schiff schon im Sommer 1963 einsetzen zu können.
MS Pilatus
Es war vorauszusehen, dass mit der Verlagerung des täglichen Verkehrs auf die neue durchgehende Bahnstrecke Luzern–Engelberg die Frequenzen Richtung Stansstad zurückgehen würden. Dementsprechend wurde bei der Beschaffung neuer grosser Motorschiffe eine Pause eingelegt. Wohl besass die SGV mit MS Waldstätter und MS Titlis die notwendigen Schiffe für den Ganzjahresbetrieb. Sie waren aber mehr auf den notwendigen Transport von Gütern und Fahrgästen ausgerichtet als auf das, was heute der «Wohlfühlfaktor» heissen würde. Vor allem bei Extrafahrten war mehr Bequemlichkeit die Voraussetzung für ein erfolgreiches Geschäftsfeld. So entstand erstmals ein neues Motorschiff, bei dem der Schwerpunkt fast ganz auf dem Personenverkehr lag. Die neue Raumdisposition entsprach diesen Anforderungen und nahm bereits in Teilen die des MS Gotthard (siehe unten) vorweg.
Nicht nur in dieser Hinsicht war MS Pilatus das erste Schiff einer neuen Epoche, auch hinsichtlich der Fertigungsweise. Das bisherige Handschweissen wurde durch halbautomatisches Schweissen ersetzt. Während beim manuellen Schweissen der Ausführende einerseits den Schweißbrenner hält und gleichzeitig die Drahtelektrode zuführt, führt er beim halbautomatischen Schweissen nur noch die Schweisspistole, während ein Drahtvorschubmechanismus für eine kontinuierliche Versorgung mit dem benötigten Verbrauchsmaterial sorgt.
Die bei MS Winkelried noch genieteten Knotenbleche wurden nun verschweisst. Zusammen mit dem Schweissdraht selbst trafen dabei drei verschiedene Materialien aufeinander, was anfangs heikel war.
Zugleich war MS Pilatus aber auch das letzte Motorschiff, das wie alle Schiffe, seit MS Waldstätter Aussentore am Bug besass, um es mit Gütern beladen zu können.
MS Pilatus besitzt nur einen Motor und nur ein Antriebsaggregat. Das rechtfertigte die erstmalige Beschaffung eines Verstellpropellers für eine bessere Manövrierbarkeit. Er setzte sich bei der SGV nicht durch, und die folgenden Motorschiffe erhielten wieder Festpropeller. Der Grund lag laut Josef Gwerder vor allem in den vielen teuren Reparaturen nach Grundberührung oder Schäden durch Kollision mit Treibhölzern.
Die Kiellegung fand am 16. März 1964, der Stapellauf am 22. November 1966 statt. Die Prognosen bei der Erarbeitung des Entwurfes gingen davon aus, dass das universell einsetzbare, ganzjährig verwendbare Schiff auf Jahresfahrleistungen bis 55‘000 km kommen werde. Das erweis sich leider als illusorisch, weil es ihm, wie sich später zeigte, dafür an der notwendigen Stabilität mangelte.
MS Gotthard
Zwischen der Kiellegung von MS Winkelried und der des nächsten Schiffes gleicher Grösse, MS Gotthard, am 26. April 1967 lagen gut sieben Jahre. Die Anforderungen hatten sich inzwischen weiterentwickelt. Der Güterverkehr hatte abgenommen, mit MS Schwyz und MS Winkelried waren zudem zwei Motorschiffe dafür vorhanden. Andererseits hatte das Bedürfnis nach Bankettplätzen erheblich zugenommen. Von den Motorschiffen verfügte MS Schwyz mit 172 Plätzen über die grösste Anzahl. Immer öfter war das aber nicht ausreichend, sodass dann mit der «Stadt Luzern» sogar ein Dampfschiff mit 262 dafür geeigneten Plätzen bei Bankettfahrten eingesetzt werden musste. Zunächst war geplant, die Innenraumaufteilung von MS Winkelried unverändert zu übernehmen, dann aber wurde umgeplant.
Die grosse freie Fläche für Güter im Einstiegsbereich konnte gekürzt werden. Weiterer Platz wurde durch Verlagerung des Office und der WC-Anlagen an die Aussenseiten des Einstiegsbereiches frei. In den hinteren Teil des Einstiegsbereichs wurde, wie schon bei MS Pilatus, der Aufstieg zum Oberdeck gelegt und damit gestaltet nach Art «Sulzer-Dampfer» nach hinten ansteigend. Alle diese Veränderungen zusammen schafften genügend Raum, damit aus dem kleinen hinteren Aufenthaltsraum von MS Schwyz und MS Winkelried ein grosser Hecksalon erwuchs. Allein in diesem befanden sich 98 Bankettplätze. Auch auf dem Oberdeck wurde die Fläche durch Verbreiterung der Innenräume vergrössert, wodurch nochmals 60 zusätzliche Bankettplätze entstanden. Insgesamt verfügte das Schiff nun 309 Bankettplätze.
Andererseits sind die äusseren Galerien auf dem Oberdeck auf einen schmalen Durchgang ohne seitliche Sitzmöglichkeiten reduziert worden.
Der breitere Salon war auch eine erste Voraussetzung um die Frontpartie des Oberdecks verbessert zu gestalten. Ein profilierteres, leicht erhöhtes Steuerhaus sorgte dafür, dass das flache Erscheinungsbild von MS Winkelried, das es zur «Cremeschnitte» par excellence gemacht hatte, korrigiert werden konnte und das Schiff ästhetisch aufgewertet war. Neben dem Steuerhaus stand auf beiden Seiten noch genügend Platz zur Verfügung, um je ein Frontfenster einzubauen und die Lichtverhältnisse im Innenraum zu verbessern.
Die vergleichbare Grösse von MS Winkelried und MS Gotthard erlaubt es, den technologischen Fortschritt beim Schiffsbau durch das halbautomatische Schweissen aufzuzeigen: bei verbesserter Qualität der Schweissnaht verlief der Fertigungsprozess zugleich schneller. Im Vergleich zu MS Winkelried konnten die zur Erstellung des Schiffes notwendigen Arbeitsstunden um mehr als 15 % gekürzt werden.
Night-Boat
Am 12. August 1970 lief MS Gotthard vom Stapel und wurde am 3. September eingeweiht. Es wurde sogleich in die frequenzstärksten Kurse mit starker Restaurationsnachfrage eingesetzt. Vor allem stand mit ihm endlich ein Schiff zur Verfügung, dass sich für grosse Extra- und Sonderfahrten eignete. Von dieser Eigenschaft wurde auch sogleich reger Gebrauch gemacht. Das Schiff stand am Beginn dessen, was heute als Event-Schifffahrt bezeichnet wird. Damals war das mit MS Gotthard eingeführte Night-Boat mit allem, was Besucher von ausserhalb Europas vom Essen bis zur Musik für typisch schweizerisch hielten, eine Innovation. Die Fahrt begann um 20.45 Uhr in Luzern, führte bis zur Obermatt am Bürgenberg und erreichte Luzern wieder um 23.00 Uhr.
MS Unterwalden (II) – MS Europa
Am 23. November 1970 erfolgte die Kiellegung des nächsten Motorschiffs. Sie lehnte sich an das Vorgängerschiff «Gotthard» an. Hochkonjunkturbedingt war es schwer, am Arbeitsmarkt Personal zu gewinnen, und so dauerte die Erstellung deutlich länger als zunächst erwartet worden war. Der Stapellauf fand am 12. April 1976 statt.
Schon bei der Inbetriebnahme des Motorschiffes Gotthard hatte es Unbehagen gegeben, als bekannt wurde, dass der Dampfer Wilhelm Tell dafür ausscheiden musste. Mit der Fertigstellung eines weiteren neuen Schiffes schwoll der Widerstand mächtig an – und der Unmut richtete sich auch gegen das neue Schiff. Damaligen Parolen wie «Kampf gegen die Motorschiffe» oder «Dampfschiffmörder» konnte Josef Gwerder nichts abgewinnen. Er bedauerte, dass kein unvoreingenommener Blick für das erneut gelungene Werk vorhanden war. Die Angriffe auf seinen Arbeitgeber SGV, der er ein loyaler Mitarbeiter war und auf dessen Seite er sich stellte, hat er seinerzeit auch als eigene Belastung erlebt.
Umstrittener Name
Die Übertragung des Namens Unterwalden an das neue Schiff wurde von den Dampferfreunden als Provokation der SGV verstanden, verbunden mit der Botschaft, Dampferrettung käme für die SGV nicht in Frage. Mit dieser Sichtweise der Dampferfreunde war Josef Gwerder nicht einverstanden. Vermutlich lag tatsächlich ein Missverständnis vor. Es ging der SGV wohl weniger um eine demonstrative Haltung in Richtung Dampferfreunde. Für sie stand im Vordergrund, dass nach Abstellen des Dampfers Unterwalden der gleichnamige Kanton als einziger Urkanton nicht mehr mit Namen in der Flotte vertreten sein würde. Nach der Jahrhundertwende war nach der neuen «Uri» ein Jahr später die «Unterwalden» zur Flotte gestossen. Der Kanton Schwyz beklagte sich, als einziger Urkanton nicht namentlich auf dem Vierwaldstättersee vertreten zu sein. Das Dilemma wurde seinerzeit gelöst, indem man den schon seit 1871 in Betrieb stehenden Dampfer Schweiz in «Schwyz» umbenannte.
Jedenfalls war die Stimmung an der Jungfernfahrt einigermassen verhagelt. Viele bedauerten mehr den Verlust des Dampfers, als dass sie bereit waren, das neue Schiff in der Flotte willkommen zu heissen.
Aber die Entwicklung nahm später eine andere Richtung als sie 1976, bei der Inbetriebnahme des neuen Motorschiffs, von der SGV vorhergesehen worden war. Die Dampferfreunde erwarben die Mehrheit der Aktien der SGV, und so verlor der Dampfer Unterwalden nie seinen Namen. Die Dampferfreunde setzten ab 1982 seine Renovierung durch, und das Schiffsneubauprogramm der SGV wurde abgebrochen. So musste Josef Gwerder wieder neu lernen. Der langjährige Konstrukteur von Motorschiffen mutierte zum Konservator der Dampfschiffe: Er wurde zum Projektleiter für die Wiederinbetriebnahme von DS Unterwalden. Er war sicher kein Gegner der Dampfschiffe, teilte dem Schreibenden aber einmal mit, die SGV brauche leistungsfähige Motorschiffe, um sich die Dampfschiffe leisten zu können.
Schliesslich musste nicht der Dampfer den Namen wechseln, sondern das Motorschiff, welches seit 1985 bis heute den Namen Europa trägt.
Nochmals Aufbau bei MS Europa
Alle vier grossen Motorschiffe der SGV waren von Beginn an vor allem nüchtern und zweckmässig gestaltet und, bis auf den Bug von MS Gotthard (Plastik «Föhn» von Hans Erni), unter Verzicht auf künstlerische Beigaben. Mit der Zeit vermehrte sich der Wunsch, die Aufenthaltsqualität zu heben. Unfreiwillig machte hier MS Europa den Anfang: Das Schiff hatte 1993 in der Werft erhebliche Brandschäden erlitten. So musste sich Josef Gwerder etwa zwanzig Jahre nach der Konstruktion nochmals mit diesem Schiff befassen. Die ohnehin fälligen Aufbauarbeiten an dem Schiff wurden zu umfangreichen Neuerungen und Umdispositionen genutzt.
Wie ein Sperrriegel im Schiff wurde die durchgezogene vordere Abschlusswand des Einstiegsbereiches bei den grossen Motorschiffen empfunden. Sie war nur auf der Steuerbordseite durch den Zugang zum Buffet 2. Klasse durchbrochen. Eine Auflockerung trat hier durch Verlegung der Zugangstreppe zum Oberdeck nach vorne ansteigend an den vorderen Rand des Einstiegsbereiches ein.
Zur Verbesserung der angesprochenen Lichteinfallproblematik des vor dem Salon liegenden Steuerhauses wurde der Oberdecksalon mit Oberlichtern ergänzt.
Pension
Josef Gwerder hat bei der SGV später noch die Inbetriebnahme der Motorschiffe Weggis, Brunnen und Flüelen begleitet. Gebaut wurden diese Schiffe aber von der Deggendorfer Werft. 1995 ging er nach vierzig Jahren Tätigkeit für die SGV in Pension, nach einem langen Arbeitsleben, in dem sich vieles veränderte, von den Anforderungen, denen die Schiffe zu genügen hatten bis zur Art ihrer Fertigung. Stets hatten sich die Konstrukteure neu daran anzupassen. Die Entwicklung im Schiffsbau ging auch danach weiter. Hatte Josef Gwerder noch mit Lineal und Stift entworfen, geschieht dies heute am Bildschirm.
Die beschriebenen vier grossen Motorschiffe aber prägten spätestens ab Mitte der 1970 Jahre den Schiffsbetrieb auf dem Vierwaldstättersee und übernahmen alle Hauptkurse. Werfen wir einen Blick auf den Fahrplan von 1977, so sehen wir, dass es damals nicht vor 17.25 Uhr möglich war, von Luzern aus Flüelen mit einem Dampfer zu erreichen. Die Dampferfreunde haben dann mit namhaften Beiträgen mit dafür gesorgt, dass ihre Lieblinge nach und nach restauriert wurden und auch wieder in den wichtigen Kursen in Verkehr kamen. Schliesslich waren an Sommertagen wieder alle fünf Dampfer unterwegs. 2017 stiess mit MS Diamant ein neues grosses Motorschiff zur Flotte. All das hat die Motorschiffe der Nachkriegsjahre meist aus den wichtigsten Hauptkursen verdrängt. Obwohl sie inzwischen fast fünfzig Jahre alt sind (MS Europa) oder schon deutlich älter, stehen alle noch im Einsatz – ein deutliches Zeichen, dass Josef Gwerders Einschätzung, dass es sehr gelungene Schiffe sind, wohl zutreffend ist.
Der Autor dankt Peter Gondolf für das Lektorat.
Mehr über das MS Schwyz, das MS Winkelried, das MS Pilatus, das MS Gotthard und das MS Unterwalden (heute MS Europa) finden Sie auf unserer Homepage.