Das MS Reichenau wird abgebrochen

Karl F. Fritz †, Robert Knöpfel und Kurt Hunziker
Zwischen 1952 und 1961 wurden von der Bodan-Werft in Kressbronn eine ganze Reihe bauartgleicher Schiffe, vor allem für den Einsatz auf Fluss- und Kanalstrecken, entwickelt und geliefert. Die damalige Deutsche Bundesbahn (DB) beauftragte die Bodan-Werft in Kressbronn am Bodensee mit dem Bau eines weiteren Schiffes vom Typ des Motorschiffes Friedrichshafen, dessen flache Form bei mittlerem Wasserstand ein Passieren der alten Rheinbrücke in Konstanz und das Befahren von Flussstrecken wie dem Alten Rhein ermöglicht.

Das Schiff wurde 1961 unter dem Namen Reichenau (II) in Dienst gestellt und erhielt den Heimathafen Konstanz.

 

Das Vorgängerschiff

Es ersetzte das Motorschiff Reichenau (I) mit Baujahr 1929, eines der älteren Motorschiffe der deutschen Flotte. 1961 wurde die alte «Reichenau» ausgemustert und an das Schifffahrtsunternehmen W. Haupt nach Berlin-Tegel verkauft, wo das Schiff, jetzt unter dem neuen Namen Tegel mehrmals vergrössert wurde. 1976 wurde das Schiff weiterverkauft und in «Seute Deern» umbenannt. Heute fährt das Schiff, das nach weiteren Umbauten ein völlig neues Aussehen erhalten hat, als MS Berlin für die Reederei Bethke auf Spree und Havel.

 

Schiffseinsätze des neuen MS Reichenau (II)

Zunächst wurde das neue Motorschiff im Kursverkehr zwischen Konstanz und Radolfzell eingesetzt. Im Frühjahr und im Herbst wurde es auch regelmässig auf dem Überlingersee eingesetzt und leistete bis zur Einstellung des ganzjährigen Pendelverkehrs zwischen Konstanz und Meersburg im Jahre 1973 noch strengen Winterdienst.

 

Später war das Schiff für den Fährbetrieb auf dem Unterseekurs zwischen Radolfzell, Iznang und der Insel Reichenau zuständig. Bevor es seinen Heimathafen in Radolfzell bezog, mussten bei hohem Wasserstand jedes Mal, bevor das Schiff die alte Rheinbrücke durchqueren konnte, das Dach vom Steuerhaus abgebaut, die Fenster abgeklappt und der Radarmast umgelegt werden.

 

Nach dem Ausfall der zwei Katamarane war die «Reichenau» im Januar 2006 als Ersatzschiff auf der Strecke zwischen Friedrichshafen und Konstanz im Einsatz!

 

Seit der Saison 2010 führen die Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) den Kursverkehr zwischen Radolfzell und der Insel Reichenau über das schweizerische Mannenbach. Eine deutsche Verbindung nach Konstanz gibt es nicht mehr. Die Kursfahrten ab der Insel Reichenau in den Obersee werden nur noch von der Schweizerischen Schifffahrtsgesellschaft Untersee & Rhein (URh) gefahren.

 

2016 wurde eine (Saison-) Abschiedsfahrt ab Radolfzell veranstaltet.

 

Ab der Saison 2017 wird das MS Reichenau als Verstärkerschiff im Überlingersee zwischen Unteruhldingen und der Insel Mainau eingesetzt. Als Ersatz wird das MS Königin Katharina (heute unter dem Namen Stadt Radolfzell bekannt) von Lindau nach Radolfzell verlegt. Zuvor wurden im Winterhalbjahr 2016/2017 von den BSB-Mitarbeitern in der Werft in Konstanz Holzdecks verlegt und ein Sonnensegel für das achterne Freideck installiert.

 

Bei einer Extrafahrt der «Stadt Radolfzell» verkehrte die «Reichenau» nach wie vor ab dem Hafen Radolfzell (sogar eine kleine Getränkekarte war im Angebot, gewirtet wurde vom freundlichen BSB-Personal!).

 

Von Mai bis September 2018 verkehrte das MS Reichenau testweise an Samstagen als «Wasserbus» zwischen dem Konstanzer Hafen und dem Bodenseeforum auf dem Konstanzer Seerhein.

 

Chronik

Im Winter 2000/2001 wurde das Schiff in Friedrichshafen überholt und modernisiert. Im Frühjahr 2009 erfolgte eine weitere Landrevision in Fussach.

 

Ende November 2010 wurde bekannt, dass die BSB beabsichtigt bis 2014 ein neues Schiff zu bauen, das die «Reichenau» ersetzen und rund 300 Passagiere fassen soll. Die Planungen hierzu wurden aber, auch aus finanziellen Gründen, zurückgestellt.

 

Im Winterhalbjahr 2012/2013 kommt daher das MS Reichenau zur Landrevision in die Werft nach Friedrichshafen. Dort erhält das Schiff u.a. eine neue Motorenanlage.

 

Ausser Dienst!

Nachdem das Motorschiff Stadt Radolfzell (ex «Königin Katharina») definitiv in den Untersee nach Radolfzell verlegt wurde, hatten die Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) keinen Verwendungszweck mehr. Als Reserveschiff lag die «Reichenau» meist untätig in Konstanz an der Mole.

 

Das Schiff wurde darum bereits vor einiger Zeit aus dem Dienst genommen und auch in dieser Saison nicht mehr eingesetzt. Aktuell wird in der Werft in Friedrichshafen alles aus dem Schiff alles ausgebaut, was noch gebraucht werden kann, wie die Maschinenanlage, den Hilfsdiesel, die Maschinensteuerung und die Radaranlage. Anschliessend soll die «Reichenau» nach Hard geschleppt und dort verschrottet werden.

 

Das Motorschiff Reichenau zählt sicher nicht zu den spektakulärsten Schiffen der deutschen Bodenseeflotte – nun wurde es ausgemustert und wird abgebrochen. Damit verschwindet ein Zeitzeuge der frühen 1960er-Jahre vom Bodensee.

 

Technische Daten MS Reichenau
Indienststellung 19. Juni 1961
Umbau und Renovation 2001/2013
Design, Engineering & Bau Bodan-Werft, Kressbronn
Antrieb 1 Propeller angetrieben von 1 Dieselmotor MTU 2000 V8 mit 330 kW
Länge und Breite über alles 34.60 m/7.30 m
Wasserverdrängung 80.25 t
Tiefgang 1.11 m
Geschwindigkeit 25.0 km/h
Tragkraft 250 Personen
Besatzung 2 Personen

 

Ausschnitt eines Berichts in «Die Bundesbahn» vom Oktober 1961

 

Bericht in der DZ 3/11 zum 60. Geburtstag

 

Factsheet

 

Grundriss

 

Bestuhlungsplan