Ade MS Bayern

Kpt. Severin Schenner
Das Ende kam wenig überraschend. Der klassische Oldtimer wurde nach längerem Stillstand in der Werft der Bayerischen Seenschifffahrt in Starnberg abgebrochen. Mit diesem Rückbau ist eine Ära zu Ende gegangen.

Kapitän Severin Schenner erzählte uns in der Ausgabe 174 (September 2013) die Geschichte dieses Schiffes. Nachstehend wird sie nochmals widergegeben. Dazu gibt es am Schluss aktuelle Ergänzungen der Redaktion.

 

Die «Bayern» – Rarität einer Epoche

In diesem Beitrag hier wird ein Schiff mit besonderem Charme und Stil näher vorgestellt: Das Motorschiff Bayern. Es verkehrt seit 65 Jahren auf dem Starnbergersee. Für die Bayerische Seenschifffahrt ist dieses nostalgische Motorschiff im Sommerhalbjahr im täglichen und zuverlässigen Einsatz. Die «Bayern» ist beim Publikum wie auch beim Personal sehr beliebt.

 

Am 1. Januar 1915 übernimmt das Königreich Bayern die Schifffahrt auf dem Starnbergersee und überträgt den Betrieb den Bayerischen Landesbahnen, welche 1920 in die Deutsche Reichsbahn aufging. Diese betreibt die Flotte auf dem Starnbergersee bis am 1. April 1959. Nachher und bis heute betreibt die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen diese erfolgreiche Schifffahrt. Der Schlösserverwaltung sind auch die Schifffahrten auf dem Königssee, Ammersee und Tegernsee angeschlossen.

 

Zur Reichsbahnära (1920 bis 1959), in einer politisch turbulenten Zeit, erfolgt die Umstellung von der Dampf- zur Motorschifffahrt. So wird 1936 der Raddampfer Ludwig ausgemustert und 1937 durch das Motorschiff Tutzing, welches von der Deggendorfer Werft gebaut wird ersetzt.

 

Schwesterschiff als «Einzelkind»

Die Deutsche Reichsbahn vergibt im Juli 1938 den Auftrag für ein neues Motorschiff an die Bodan-Werft in Kressbronn. Das neue Schiff soll 500 Personen fassen können und den Namen Konstanz tragen.

 

Unmittelbar danach erfolgt, basierend auf den Plänen des neuen Bodenseeschiffes, die Auftragsvergabe für die «Bayern» an die Deggendorfer Werft und Eisenbau GmbH. 1939 wird mit dem Bau und sogar mit dem Zusammenbau in Starnberg begonnen. Der Bauzustand muss bis 1940 sehr weit fortgeschritten sein, da in diesem Jahr bereits der Raddampfer Bavaria ausgemustert wird. Bedingt durch die Kriegswirren erfolgt jedoch die Fertigstellung und Indienststellung dieses eleganten Fahrgastschiffes erst am 4. Dezember 1948 und zeigt damit auf, welche Prioritäten nach dem Krieg gegeben sind.

 

Die «Bayern» ersetzt die «Bavaria»

Die «Bavaria» wurde bei Escher-Wyss in Zürich und auf der Starnberger Werft gebaut. Sie hatte eine Kapazität von 1’000 Passagieren und galt mit ihrer aufwändigen Ausstattung als das schönste Schiff, das auf einem deutschen See fuhr. Auffallend war besonders die grosse Laterne, die die «Bavaria» am Bug trug. Für den Antrieb sorgte eine schrägliegende Zweifach-Expansions-Compound-Maschine mit 300 PSi.

 

1915 endete die Konzession für die Aktiengesellschaft. Der Bayerische Staat übernahm die Schifffahrt auf dem damaligen Würmsee (heute Starnberger See); der Betrieb wurde von den Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen und später von der Deutschen Reichsbahn weitergeführt. Die «Bavaria» war das einzige Schiff auf dem Würmsee, dessen Name nach dem Ersten Weltkrieg nicht geändert wurde. 1940 wurde das Dampfschiff Bavaria als Rohstoffspender für den Krieg abgebrochen.

 

Innovation im Schiffbau

Obwohl das Schiff sehr von klassischen Linien geprägt ist, stellt es zu den bisherigen (Rad-) Schiffen einen enormen Fortschritt dar, ist es doch das erste Zweideck-Grossmotorschiff für den damals noch so genannten Würmsee (ab 1962 «Starnberger See»).

 

Während die «Schwester» für den Bodensee mit einen Antrieb mit Voith-Schneider-Propellern vorgesehen ist, wird die «Bayern» als Doppelschraubenschiff ausgeführt.

 

Schale

Der Schiffskörper ist in genieteter Querspanten-Konstruktion gebaut, dem Zeitgeschmack der 1920er und 1930er Jahre entsprechend mit leicht ausfallendem, jedoch gerundetem Steven. Als Novität ist das Schiff mit einem Spiegelheck (als Abrisskante in der Wasserlinie) und ein auf Kreuzer-Heck verlaufenden Façon ausgeführt (wie das MS Karlsruhe auf dem Bodensee).

 

Wie damals üblich, sind die Antriebsmotoren mittschiffs angeordnet, die Abgase werden senkrecht über den Kamin abgeführt. Charakteristisch sind die jeweils seitlich positionierten «Windhutzen» für die Zu- und Abluft zum Maschinenraum. Unter Deck sind vor dem Maschinenraum die Küche, achtern davon die Toilettenräume platziert.

 

Haupt- und Oberdeck

Darüber befindet sich das geräumige Einsteigdeck mit Laderaum, Treppenhaus, Schiffskasse, Abgang zu den Toiletten, sowie beidseitig die Zugänge zum gediegenen Vorschiffsalon, beziehungsweise auf das Achterdeck.

 

Vom Vorpiek bis zum Heck finden die Fahrgäste an den Galerien Aussenplätze, ebenso auf dem Oberdeck. Das Schiff verfügt über zwei Salons, einmal im Vorschiff des Hauptdecks und einmal darüber im Oberdeck, achtern das an der Front situierte Steuerhaus mit seinen offenen, aber überdachten Seitenfahrständen.

 

In den vergangenen 65 Jahren wird die «Bayern» immer wieder den Anforderungen (Komfort, Technik, Sicherheit) angepasst, glücklicherweise hat es von seiner ausgewogenen schiffigen Erscheinung nichts eingebüsst.

 

Technisch immer auf dem neusten Stand

Bereits die dritte Generation an Motoren, mittlerweile auch mit Partikelfilter, gibt dem Schiff die nötige Leistung auf die Propelleranlage. Ein hohes Mass an nautischem Können wird dem Schiffsführer, speziell bei den vorherrschenden Windverhältnissen, abverlangt, da das Schiff über keine Bugstrahlanlage verfügt. Die Ruderanlage ist mechanisch mit Kettenzug ausgeführt und ist im Laufe der Zeit mit einer elektro-hydraulischen Unterstützung ergänzt worden, wobei das Steuern an den Fahrständen über die Betätigung eines Hydraulikventils erfolgt.

 

Star der Flotte

Die geraden Linien der Aufbauten verleihen dem Schiff ein zeitlos elegantes und unaufdringliches Erscheinungsbild. Zudem erzielen die beiden Schiffsmasten sowie der Name mit seinem besonderen Schriftzug selbst eine «stattliche» Ausstrahlung.

 

Heute erstrahlt die «Bayern» in den Farben weiss-blau, während sie ursprünglich über Jahre hinweg in weiss-rot auf dem See anzutreffen war. Mit ihrer geräumigen Grösse und dem ausgewogene Platzangebot erfüllt das Schiff heute noch einen wichtigen Aspekt in der Flottenpolitik und ist auch als Charterschiff sehr gefragt.

 

Die «Bayern» – ein junggebliebener «Oldie»!

 

Soweit der Bericht von Kpt. Severin Schenner.

 

Abbruch

Bis im September 2023 wurde die «Bayern» noch fahrplanmässig und im Extrafahrtenverkehr eingesetzt.

 

Leck

Und dann das: Mitarbeitende haben bemerkt, dass Wasser in das Schiff eintritt. Das älteste Schiff der Flotte auf dem Starnberger See hat ein Leck. Wie gross das ist, kann von Innen aber niemand erkennen. «Um das Problem genauer zu untersuchen, müssen wir das Schiff aus dem Wasser heben und den Schaden von aussen begutachten», erklärt Michael Griesser, Geschäftsführer der Bayerischen Seenschifffahrt. Ob eine Reparatur praktikabel und wirtschaftlich ist, lässt sich leider erst dann sagen.

 

Zu hohe Kosten für Reparatur

Nun, der Entscheid ist gefallen. Eine Wiederinbetriebnahme des Oldtimers Bayern wäre mit zu hohen Kosten verbunden gewesen. Daher entschieden sich die Verantwortlichen der Bayerischen Seenschifffahrt für den Abbruch. «Die Dame ist zwar rüstig, hat alle Anforderungen für die Sicherheit der Fahrgäste noch zuverlässig erfüllt. Trotzdem ist das Schiff inzwischen natürlich in die Jahre gekommen», sagt Griesser. Das MS Bayern ist nicht barrierefrei, die sanitären Anlagen betagt. «Die ganze Gestaltung ist anders als bei unseren moderneren Schiffen.

 

Abbruch

Doch die «Bayern» wehrte sich gegen den «Rückbau». Am ersten Tag der Arbeiten hatten die Arbeiter am Kamin mit einem Plasmaschneider Metall durchtrennt, in der Folge brach im Maschinenraum (!) des Schiffes Feuer aus – weil offenbar Funken in den Rumpf gefallen waren. Weil die Feuergefahr bei solchen Arbeiten in alten Schiffen hoch ist, hat die Firma seit Beginn des Abwrackens einen Brandwächter abgestellt.

 

Dem Laien stellt sich nun vor allem folgende Frage: Wie entsorgt man eigentlich ein 48 Meter langes und 10 Meter breites Schiff, das rund 700 Fahrgäste über den See befördern konnte? «Es ist wie bei einem Wohnhaus», sagt der Verantwortliche. «Bevor es abgerissen werden kann, muss es erst mal entkernt werden.» Das heisst: Lose Teile wie Möbel werden ausgeräumt, Decken- und Wandverkleidungen sowie Glasteile entfernt und separat verpackt. Isolierungen und Dämmmaterial werden ebenso beseitigt, bevor das eigentliche Zerlegen beginnt.

 

Per Plasmaschneider in Einzelteile zerlegt

Das MS Bayern wird per Plasmaschneider in einzelne Stücke zerschnitten, die jeweils in 38 Kubikmeter fassende Abrollcontainer passen. Ein Baukran stehe während des Schneidens immer daneben, nehme die Teile ab und hieve sie in die Container. Geschnitten werde logischerweise von oben nach unten. Bis Mitte Mai soll nichts mehr vom MS Bayern übrig sein.

 

Gerettet

Nicht das Schiff konnte gerettet werden – aber die Schiffsglocke und der Kompass! So kann man wenigstens, beim Anblick der Glocke, an das historische Motorschiff Bayern zurückdenken.

 

Technische Daten MS Bayern
Baujahr 1939
Indienststellung 1948
Erbauer Deggendorfer Werft und Eisenbau GmbH
Länge/Breite 48.00 Meter/10.40 Meter
Leistung 1939-1983: 2×170 PS (MWM)

1983-1994: 2×283 PS (MWM)

Ab 1994:     2×380 PS (Deutz)

Antrieb 2 Festpropeller
Tragkraft 700 Personen