Durch die starke Verkehrsentwicklung um 1884 wurde es erforderlich, neue Dampfschiffe mit mehr Kapazität zu bauen, um den grossen Andrang an den Wochenenden zu bewältigen. Somit plante man zwei grössere Neubauten, die 1885 bzw. 1886 erbaut und in Dienst gestellt wurden. Die neuen Raddampfer waren Glattdeckschiffe mit einer Länge von etwa sechzig Meter. Getauft hatte man sie damals auf «König Albert» und «Königin Carola». Die Entwicklungsgeschichte dieses Dampfschiffes weist durchweg Parallelen zur heutigen «Pillnitz» auf, welches ein Jahr später als die «Königin Carola» in Fahrt kam.
Bau
Der eiserne Schiffskörper wurde 1884/85 als Glattdeckschiff mit nach hinten ausgebauten Radkästen auf der Werft in Dresden-Blasewitz unter Leitung von Obermaschinenmeister Steglich seit August 1884 erbaut. Der Schiffskörper kostete 43‘314,57 Mark.
Die Dampfmaschine und den Kessel lieferte die Sächsische Dampfschiffahrts- und Maschinenbauanstalt der Österreichischen «Nordwest» Dampfschiffahrtsgesellschaft, Dresden-Neustadt.
Neue Maschine
Bemerkenswert ist, dass die insgesamt sechs Schiffsneubauten seit 1876 generalüberholte Maschinen bereits verschrotteter Schiffe erhielten. Es war bis dahin durchaus üblich, die robusten Dampfmaschinen weiter zu verwenden. Das DS Pillnitz (heute «Diesbar») aus dem Jahr 1884 verkörperte das letzte Schiff, welches mit einer gebrauchten Maschine ausgestattet wurde. Für das DS König Albert wurde nach nunmehr zehn Jahren wieder eine neue Maschinenanlage in Auftrag gegeben, und zwar erstmals bei dieser Dresdner Maschinenfabrik. Man musste nicht mehr auf die europäischen Marktfirmen wie Penn aus Greenwich oder Escher & Wyss aus Zürich zurückgreifen, weil sich im Raum Dresden auch Firmen die Dampfmaschinen herstellen angesiedelt und spezialisiert hatten.
Konstruktion der neuen Maschine
Es ist anzunehmen, dass bei der Konstruktion bewährte Bauartmerkmale dieser bereits vorhandenen Maschinen mit einflossen.
Die Anordnung der Luftpumpe, schräg nach hinten und der gegossene Oberfram mit angeflanschten Seitenframen entspricht den Bauformen von Ruston & Co., Prag und Escher Wyss, Zürich. Die aufgesetzten Kurbellager und die Verwendung der Seawardsteuerung, führen auf die Ausführungen bei John Penn & Son, Greenwich zurück. Der Dampfer erhielt eine oszillierende Zweizylinder-Zwillingsmaschine mit Schiebersteuerung und Einspritzkondensation. Sie hatte eine Leistung von 120 PS.
Als Kessel baute man einen Dreiflammrohr-Kofferkessel ein. Die Kosten beliefen sich auf 50‘799,70 Mark.
Inbetriebnahme
Das neue Dampfschiff hatte damals eine Länge von 60,35 Meter, eine Breite von 5,56 Meter und eine Breite über die Radkästen von 11,34 Meter, war für 640 Personen ausgelegt und die Tragfähigkeit betrug 70 Tonnen. Als Schaufelräder baute die Werft Patenträder mit einem Durchmesser von 3,66 Meter mit je 11 Holzschaufeln (2,44 Meter x 0,53 Meter) ein. Der Steuerstand befand sich am Heck mit einem waagerechten Handsteuerrad.
Am 23. April 1885, um 16 Uhr, fand der feierliche Stapellauf anlässlich des 57. Geburtstages von König Albert unter Böllerschüssen und am 12. Mai 1885 eine Probefahrt des Schiffes statt. Zu Beginn des Sommerfahrplanes am 17. Mai 1885, stellte man das DS König Albert in Dienst.
Namenswechsel
Im Jahr 1898 erhielt es den Namen Sachsen, weil man in Sachsen das 15jährige Thronjubiläum seiner Majestät feierte und seinen Namen nunmehr dem Neubau Nr. 60, dem heutigen DS Pirna widmete.
Reparaturen und Umbauten
In den Jahren 1913/14 unternahm man in der Werft Laubegast Reparaturen am Schiff und die Werft Dresden-Übigau baute die oszillierende Zweizylinder-Zwillingsmaschine mit Schiebersteuerung und Einspritzkondensation in eine oszillierende Zweizylinder-Verbundmaschine mit Schiebersteuerung und Einspritzkondensation um, wozu ein neuer Hochdruckzylinder, neue Steuerexzenter und eine Spindelumsteuerung herzustellen waren. Damit erzielte man eine neue Leistung von 230 PS (170 kW) und 36 bis 45 U/min. Gleichzeitig tauschte man den alten Dreiflammrohr-Kofferkessel gegen einen Zweiflammrohr-Zylinderkessel aus.
Ein nach hinten offenes Steuerhaus wurde auf die Kommandobrücke aufgebaut, somit fiel der Hecksteuerstand weg. Am Maschinenoberlicht im Mittelschiff installierte man eine Dampfsteuermaschine (Fabr. Nr.1411, Baujahr 1914), welche eine Leistung von 6 PS erbrachte. Den Kessel und die Steuermaschine lieferte die Dresdner Maschinenfabrik und Schiffswerft Dresden-Übigau. Der Einbau einer elektrischen Beleuchtungsanlage im Jahr 1914 ersetzte die Petroleumbeleuchtung.
Erneuter Namenswechsel nach einem Umbau
In den Jahren 1927/28 verlängerte die Werft Dresden-Laubegast den Schiffskörper um 3‘650 Millimeter (das war das übliche Plattenmass) hinter dem Kessel. Die Arbeiter bauten eine Dampfheizung ein und errichteten ein Oberdeck, sowie einen hinteren Decksalon. Der Raddampfer erhielt im Frühjahr einen weissen Anstrich.
Am 26. Mai 1928 fand eine Namensumbenennung in «Meissen» statt.
Im Winterhalbjahr 1933/34 versetzten die Werftarbeiter den Mast um ca. 4 Meter nach vorn und überdachten den Raum zwischen dem Mast und der Windschutzscheibe mit einem Sonnensegel. Der Raum zwischen Windschutzwand und Kommandobrücke im Mittelschiff erhielt eine Blechbedachung.
Krieg
In Vorbereitung eines Kriegseinsatzes erhielt das DS Meissen im Jahr 1942 einen Tarnanstrich aus hell- und dunkelgrünen kantigen Flächen. Als eines von acht Raddampfern stand es 1943 ständig (auch im Winterfahrplan) im Einsatz.
Am 29. Juli 1943 fuhr das DS Meissen zusammen mit den Dampfern Pillnitz, Stadt Wehlen, Loschwitz und Blasewitz nach Hamburg, um bombengeschädigte Bevölkerung zu evakuieren. Dazu musste die «Meissen» erneut mit schwarzer Farbe getarnt werden, weil im Raum Hamburg ständig Fliegerangriffe stattfanden. Man hatte zeitweilig 350 Verletzte im Salon hinten unten und im hinteren Deck mit Decken untergebracht. Mitte August war das Schiff wieder zurück und es lag wegen Niedrigwasser am Blauen Wunder. Dort verbesserte man nochmals den Tarnanstrich nach Marineart.
Nachkriegszeit
In den Nachkriegsjahren kam die «Meissen» sofort wieder mit weissem Anstrich seit Spätsommer 1945 zum Einsatz und wurde in der Hauptsaison 1946 durch den Ausfall der grössten Dampfer Dresden und Leipzig, sowie sechs weiterer leistungsstarker Dampfer sehr stark beansprucht. Die Maschine erhielt 1948 einen neuen Maschinen-Oberframen. Die Mittelwelle wurde in eine feste Welle umgebaut.
Die Arbeiter verlängerten 1957/58 das Oberdeck um 3 Meter nach vorn, bauten ein neues Steuerhaus auf und erneuerten im darauffolgenden Winter die Elektro-Anlage.
Im Winterhalbjahr 1961/62 kranten sie in der Werft in Dresden-Laubegast den Kessel aus, man reparierte ihn und baute nach dem Einsetzen auf ein neues Kesselfundament ein Kesselhaus auf. Die Maschine erhielt einen neuen Niederdruck-Zylinder.
Im Winterhalbjahr 1967/68 überholten die Werftarbeiter das Schiff und die Maschine. Auf dem Vorderschiff errichteten sie einen Decksalon mit 77 Sitzplätzen und erneuerten beide Radkästen.
Fahrten in die damalige Tschechoslowakei
Vom 13. Mai 1972 bis im Jahr 1979 erfolgte der Einsatz alternierend mit dem Schwesterschiff Weltfrieden mehrfach während der Hauptsaison als 2-Tagefahrt von Dresden-Usti-Litomerice-Dresden im Vertragsverkehr mit dem Reisebüro der DDR.
Kesselschaden
Im Winter 1973/74 erhielt der Dampfer Meissen ein neues, breiteres Steuerhaus.
Ab 1978 zwangen mehrere Kesselschäden die DSRK (Untersuchungs-Kommission) dazu, den Kessel im Herbst 1981 nicht mehr für den Betrieb zuzulassen. Deshalb lag der Dampfer von 1981 bis 1983 abgestellt im Hafen Dresden-Neustadt. Die damalige Ölkrise gab den Anlass, die alten Dampfer nicht mehr ausser Dienst zu stellen, sondern nach Möglichkeit zu reparieren. Somit konnte man drei Neubaukessel im VEB Dampfkesselbau Übigau für die Dampfschiffe Stadt Wehlen, Weltfrieden und Meissen bestellen. Erst im Frühjahr 1983, nachdem das DS Weltfrieden fertig rekonstruiert wurde, schleppte ein CSPLO-Schubschiff das den Dampfer Meissen an die Werft Dresden-Laubegast. Man entfernte den Salon auf dem Vorschiff, baute einen neuen, schmaleren Salon mit beidseitigen Laufgängen zum Bug auf und veränderte den hinteren Salon ebenfalls. Den Schiffskörper hatten die Schiffbauer durch dreimaliges Aufschneiden im Querschnitt gestreckt und begradigt (starke Durchbiegung von 180 mm). Am 11. Mai 1985 erfolgte die erste Fahrt.
Nach der Wende…
Nach der Übernahme der «Weissen Flotte» durch das Land Sachsen und die Conti-Reederei München am 23. November 1992, hatte man den grössten Teil des Schiffsparkes rekonstruiert.
…erfolgt ein grösserer Umbau
Am 24. November 1992 fuhr das DS Meissen das letzte Mal unter Kohlefeuerung zur Werft nach Dresden-Laubegast.
Die Werftarbeiter bauten zuerst das Oberdeck ab. Der Schleppdampfer Sachsenwald der Reederei Frenzel schleppte es ab 10. Dezember 1992 zur Werft Genthin zur Generalinstandsetzung von Schiff und Maschine und Kesselumbau auf Leichtölfeuerung mit Weishaupt-Brennern. Anfang Juni 1993 brachte ein Schubboot den Dampfer nach Laubegast zum weiteren Ausbau mit modernster Technik zurück. Bei der Rekonstruierung wurde grosser Wert auf historische Parameter gelegt, so u. a. beim Steuerhaus und der kreuzweise mit Leinen bespannten Reling. Den Namen malte man, wie früher üblich, halbrund mit dem Stadtwappen auf den Radkasten. Die Innenausstattung erfolgte durch das Ingenieurbüro Vaupel & Partner aus Köln. Sie wurde in historischer Anlehnung geschaffen. Am 26. Juli 1993 kam das DS Meissen wieder in den Fahrdienst.
Im Laufe der Zeit
Im Winter 1996/97 lag das DS Meissen zur Überholung in der Werft Laubegast und erhielt einen neuen Hochdruck-Zylinder.
2000/2001
Im Winterhalbjahr ersetzte man in der Werft Laubegast den defekten Maschinenunterframen durch ein geschweisstes Neuteil.
2002
Die Jahrhundertflut der Elbe im August überstand das DS Meissen ohne Schäden bis Anfang September im Hafen Prossen.
2002/2003
Im Winter 2002/2003 fuhr der Dampfer erstmals in die Schiffswerften Rosslau und Aken zur Winterreparatur, ebenfalls im darauffolgenden Winter.
2012/2013
Erstmals seit 1992 fuhr 2012 ein Dampfschiff die Station Riesa an. Dazu führte man mit dem DS Meissen eine «Riesa-Tour» Dresden-Riesa-Dresden am Sonntag, 15. April 2012 mit ca. 100 Fahrgästen durch. Die Fahrt wurde im Frühjahr 2013 wiederholt.
Im Winter 2012/13 lag die «Meissen» wieder in Laubegast an Land. Im Vorderdecksalon verschloss man den Ausschnitt zum unteren Salon. Somit hat er wieder mehr Sitzplätze. Dazu gab es auch neue Möbel.
2018/2019
Vom 9. Oktober 2018 bis zum 20. August 2019 lag das Dampfschiff zur Überholung in der Schiffswerft Laubegast. Es erhielt neue Volvo-Penta Dieselmotoren mit neuem Generator. Zum Maschinenbau erneuerte man das Niederdruck-Kolbenstangenlager.
2021/2022
Im Winter 2021/22 erhielt die «Meissen» eine neue Rundfunkanlage.
2022
Am 11. Oktober 2022 lief der Raddampfer Meissen die Werft Laubegast zu einer grösseren Winterreparatur an. In beiden Radkästen vorn erneuerten Schiffbauer den Stahlfussboden und hoben die Decken an. Man baute im Steuerbord Radkasten neue Toiletten und im Backbord Radkasten einen Fahrscheinverkauf bei der Radtrommel, sowie vorn eine Toilette für das Gastronomie Personal ein.
2024
Durch einen glücklichen Umstand fährt die «Meissen» wieder mit seiner alten «König Albert»- Glocke!
Carolabrücke und Hochwasser
Vor dem Brückensturz der Carolabrücke (Zug C) in Dresden am 11. September fuhr das DS Meissen am 9. September die letzte Planfahrt. Es wurde nach dem Ereignis umgehend nach Meissen verlegt. Zum nahenden Hochwasser fuhr es am 13. September von Meissen in den Hafen Riesa. Am 27. September verlegte man es wieder nach Meissen, wo es bis zum 28. Januar 2025 lag. An diesem Tag gab es eine Verholaktion einiger Schiffe durch die Carolabrücke mit einer Sondergenehmigung. Die «Meissen» unterquerte sie um 15.55 Uhr und fuhr direkt an die Werft Laubegast.
Am 31. Januar 2025 wurde es in fünfter Lage zur Wartung geslippt. Die Besatzung strich den Schiffsrumpf mit neuer Farbgebung weiss, ohne mittleren grünen Streifen. Das Blau am Bergholz und den Arbeitsdecks wurde durch grün ersetzt und der Schornstein unterhalb des Nationales weiss, sowie das Schaufelrad rot angestrichen. Diese Farbgebung erinnert an den Zustand des Dampfers in den 1930er-Jahren und passt zum heutigen Firmennamen «Weisse Flotte Sachsen GmbH».
*Michael Kaiser ist der verantwortliche Maschinist auf dem Personendampfer Stadt Wehlen.
Technische Daten 2025 | |
Länge und Breite auf Spanten | 64,35 m/5,59 m |
Länge über Radkästen | 11,30 m |
Tiefgang beladen | 0,89 m |
Tiefgang leer | 0,77 m |
Tragkraft | 350 Personen |
Über die Einsätze der «Meissen» informiert Sie die Webseite der Weissen Flotte Sachsen.